From the Chess archiv of Chess-Results.com: Article: 331 from 10.07.1997, Category International

16.WM-Partie in Elista 1996: Kamsky schlägt Karpow mit dessen eigenen Waffen!

Nachdem der Herausforderer sowohl in der 3. als in der 13. Partie als Nachziehender mit der Damenindischen Verteidigung gegen Karpow jeweils einen schweren Stand gehabt hatte, kopierte er dessen Behandlung als Anziehender und erwischte damit den Titelverteidiger prompt auf dem falschen Fuß.

Knapp nach der ersten Zeitkontrolle büßte der Herausforderer zwar - wieder einmal - beinahe seinen ganzen Vorteil ein, doch Karpow war diesmal nicht darauf erpicht, Geschenke anzunehmen, und revanchierte sich kräftig ...

Weiß: GM G. Kamsky

Schwarz: GM A. Karpow

Damenindisch [E15]
16. Matchpartie

1. d4 Sf6 2. c4 e6 3. Sf3 b6 4. g3 La6 5. b3 Lb4+ 6. Ld2 Le7 7. Lg2 c6 8. Lc3 d5 9. Se5 Sfd7 10. Sxd7 Sxd7 11. Sd2 0-0 12. 0-0 Tc8.

Kamsky erwiderte hier in der 3. bzw. 16. Partie 12. ...Tb8 13. Lb2 b5 14. c5 e5 15. dxe5 Sxc5 16. a3 Lb7 bzw.16. ...Se6

13. e4.

Die Standardfortsetzung. Möglich ist aber auch 13. Te1, zwecks Vorbereitung von e2-e4. Schwarz begegnet dem mit:

A) 13. ...f5!? 14. Tc1 De8 (14. ...Sf6 gibt Weiß nach 15. Lh3 Se4 16. Sxe4 dxe4 17. f3 das etwas bessere Spiel.) 15. Lb2 Df7 16. e3 g5!? 17. Tc3 (Zu beachten ist auch 17. Sb1!? nebst La3) 17. ...g4! (Schwächt das Feld f3) 18. Dc1 Sf6 19. La3 Se4, mit etwa gleichem Spiel, Tschernin-Pogorelov, Sevilla 1993, oder

B) 13. ...c5 14. cxd5 cxd4 15. Lxd4 exd5 16. a3 (Etwas nachhaltiger ist 16. Lh3! Tc7 17. a3 Sc5 18. Sf1 nebst Se3 und etwas besserem Spiel für Weiß) 16. ...Sc5 17. Lb2 Lf6! 18. Lxf6 Dxf6 19. b4 (19. Lxd5 beantwortet Schwarz mit 19. ...Tfd8) 19. ...Se6 20. e3 (Keinen Vorteil verspricht auch 20. Lxd5 Tfd8 21. e4 Sc7) 20. ...Tfd8, mit Ausgleich, Tschernin-Titz, München 1992/93.

13. ...c5.

Schwarz kann auch hier mit 13. ...b5 fortfahren, z.B. 14. Te1 bxc4 15. bxc4 dxc4 16. Da4 Lb5 17. Dc2 Te8!? 18. a4 La6 und nun:

A) 19. Tad1 Lf8 20. Da2 (Gut für Schwarz ist 20. Lf1 c5 21. d5 exd5 22. exd5 Txe1 23. Txe1 Sb6) 20. ...c5 21. d5 exd5 22. exd5 Txe1+ 23. Txe1 Sb6 24. La5 Dd7, Dautov-Hraek, Altensteig 1995, und nun hätte Schwarz nach 25. Lxb6 axb6 26. Sxc4 Lxc4 27. Dxc4 Ta8 (Oder 27. ...Te8 28. Tb1 Ta8)etwa gleiches Spiel erlangt. Oder

B) 19. Ted1 c5!? 20. d5 exd5 21. exd5 Lf6 22. Lxf6 Dxf6 23. Sxc4 Lxc4 24. Dxc4 Se5 mit interessantem Spiel und Chancen für beide Seiten.

14. exd5 exd5 15. dxc5.

Nach 15. Lxd5?! Sf6! 16. Lg2 cxd4 steht eher Schwarz besser.

15. ...dxc4 16. c6!.

Diese Stellung ist in der Großmeisterpraxis bereits oftmals dagewesen. Nicht zuletzt deswegen wurde zuletzt auch mit 16. Sxc4 experimentiert: Gleiches Spiel bietet nach Tschutschelow:

A) 16. ...Txc5 17. Te1!? Lxc4 (Vorteilhaft für Weiß ist 17. ...Lf6? 18. Lxf6 Sxf6 19. Sd6) 18. bxc4 Lf6! (Weniger genau ist 18. ...Txc4!? 19. Lxg7! Kxg7 20. De2 Tc7! 21. Dxe7, mit etwas besseren Chancen für Weiß) 19. Tc1 Lxc3 20. Txc3 Sf6 21. Td3 Dc7 22. Ld5. Etwas günstiger für Weiß ist hingegen:

B) 16. ...Lxc4 17. bxc4 Sxc5 18. Dg4 Lf6 19. Tad1.

16. ...cxb3 17. Te1.

Interessant ist 17. Sc4!? und nun:

A) 17. ...Lxc4!? 18. Dg4 Lf6 19. Dxc4 b2 (Gut für Weiß ist sowohl 19. ...Se5 20. Lxe5 Lxe5 21. Tad1, als auch 19. ...Lxc3 20. Dxc3 Df6 21. Dxf6 Sxf6 22. axb3) 20. Tad1! (20. Tab1 Se5!) 20. ...Lxc3 21. Dxc3 Df6 22. Dxf6 Sxf6 23. Td2, mit etwas besserem Spiel für Weiß. Oder

B) 17. ...b2! 18. Lxb2 Lxc4, mit der Folge:

B1) 19. cxd7 Tc7 20. Le5 (Vorteilhaft für Schwarz ist 20. Dg4 Lf6 21. Lxf6 Dxf6 22. Tfd1 Le6 23. Da4 Txd7!) 20. ...Tc5 21. Te1 Le6 22. Dd4 (22. Ld4?! überläßt Schwarz nach 22. ...Tc7 23. Txe6 fxe6 24. Dg4 Tf7! das bessere Spiel) Beljawski-Lobron, München 1991, und nun hätte Schwarz nach Lobron mit 22. ...Dxd7 23. Dxd7 Lxd7 24. Lxg7 Kxg7 25. Txe7 Td8!, gleiches Spiel erlangen können. Keinen Vorteil verspricht auch:

B2) 19. Dg4 Lf6 20. Lxf6 Dxf6 21. Dxc4 Se5, Karpow-Polugajewski, Haninge 1990.

17. ...Lb5 18. axb3 Lxc6.

Interessant ist auch 18. ...a5 und nun:

A) 19. Lxg7!? Kxg7 20. Dg4+ (20. cxd7 Lxd7 bietet Schwarz aufgrund des Läuferpaares ausreichendes Gegenspiel) und weiter:

A1) 20. ...Kh8 21. cxd7 Lxd7 (Versucht wurde auch 21. ...Tc7 22. Sf3! Dxd7 23. Df4 Dd6 24. Se5 und nun nicht 24. ... f6? wegen 25. Sg6+! hxg6 26. Dh6+ Kg8 27. Dxg6+ Kh8 28. Tad1! Dc5 29. Dh6+ Kg8 30. Ld5+ und Weiß gewinnt!) 22. De4! Lb4! (Der einzige Zug, z.B. 22. ...Te8?! 23. Tad1 Lg5 24. Dd4+ Lf6 25. Df4 Txe1+ 26. Txe1 Lg5 27. Dxf7! Lxd2 28. Te8+!! Dxe8 29. Df6+ Kg8 30. Ld5+ und Weiß gewinnt) 23. Df4 f6 24. Tad1 nebst 25. Sc4 oder 25. Se4, mit etwas besserem Spiel für Weiß.

A2) 20. ...Lg5!? 21. Sf3 (Keinen Vorteil verspricht 21. cxd7 Lxd7 22. De2 Tc2, oder 21. h4 h5 22. Dxg5+ Dxg5 23. hxg5 Lxc6) 21. ...Txc6 (Gut für Weiß ist 21. ...h6 22. Sxg5 hxg5 23. cxd7 Lxd7 24. Dd4+) 22. Sxg5 Tg6 23. h4 h6 24. Dd4+ Df6 25. Dxf6+ Txf6 26. Se4, mit nur wenig besserem Spiel für Weiß, oder

B) 19. Tc1! Sc5!? 20. Dg4! Lf6 21. Lxf6 Dxf6 22. Se4! Dd4!? 23. Ted1 Ld3 24. Txc5! bxc5 25. Dd7 Tfd8 (Das scheinbar attraktive 25. ...Txc6?! findet in 26. Dxd4! cxd4 27. Txd3 eine hübsche Widerlegung) 26. Dxd4 cxd4 (Unzureichend ist auch 26. ...Txd4 27. Sxc5 Tcd8 28. c7 Tc8 29. Txd3 Txd3 30. Sxd3 Txc7 31. Ld5) 27. Txd3 Txc6 28. Lf1 Kf8 29. Sg5!? Ke7 30. Td1 h6 31. Sf3 Ftanik -Sax, Zonenturnier Budapest 1993, und nun hätte sich der Nachziehende mit 31. ...d3! 32. Sd2 (keinen Vorteil verspricht 32. Lxd3 Tc3 33. Se5 Kf6 34. Sg4+ Ke7 35. Se5) 32. ...Tc3 33. Kg2 a4 34. bxa4 Ta3 35. Sc4 Txa4 36. Se5 und dem etwas schlechteren Spiel begnügen sollen.

19. Lxc6 Txc6 20. Txa7 Lf6!.

Schlecht ist 20. ...Txc3? wegen 21. Sb1! Tc7 22. Txc7 Dxc7 23. Txe7 Td8 24. Dd5 und Weiß gewinnt.

Versucht wurde weiters 20. ...Sf6 21. Df3 und nun:

A) 21. ...Tc7 22. Txc7 Dxc7 23. Sc4, mit etwas besserem Spiel für Weiß.

B) 21. ...Dc8 22. Sb1! (22. Sc4 Lc5 23. b4 pariert Schwarz mit 23. ...Lxf2+ 24. Dxf2 Txc4 25. Lxf6 Tc2! 26. Df1 gxf6 27. Dxf6 Dh3) 22. ...Ld8 (22. ...Lc5 23. b4 Ld6 24. Lxf6, mit Vorteil für Weiß, der sich nach 24. ...Lxb4 25. Le7 Lxe1 26. Lxf8 rasch zum Sieg verdichtete) 23. Kg2 (23. Lb4 beantwortet Schwarz mit 23. ...Tc1) 23. ...Te6 (Auch nach 23. ...Tc7 24. Ta8 ist das weiße Spiel etwas vorzuziehen) 24. Db7! Dxb7+ 25. Txb7 Txe1 26. Lxe1 Te8 27. Ld2 (In Frage kam auch 27. Lc3!?) 27. ...Se4 28. Le3 und nun nicht 28. ...Sd6? wegen 29. Tb8 Lc7 30. Txe8+ Sxe8 31. Sc3, mit Vorteil für Weiß, Tschernin-Farago, Magyarország 1992, sondern nach Tschernin, 28. ...Sc5!? 29. Tb8 Kf8 (29. ...Sxb3?? scheitert an 30. Lxb6) 30. Sd2 …Lc7 31. Txe8+ Kxe8 32. b4, mit nur wenig besserem Spiel für Weiß. Nicht bewährt hat sich:

C) 21. ...Dd5 22. Texe7 Dxf3 23. Sxf3 Txc3 24. Sg5 Txb3 25. Sxf7, mit Vorteil für Weiß, Karpow-Kortschnoi, Tilburg 1991.

21. Sc4!?.

Oder 21. Se4 Lxc3 22. Txd7 mit der Folge:

A) 22. ...Da8!? 23. Te3 Lb2 24. Df3 (Vielleicht um eine Spur günstiger für Weiß ist 24. Dd5 Tc1+ 25. Kg2 Dxd5 26. Txd5) 24. ...f5 25. Sg5 Tc1+ 26. Kg2 Dxf3+ 27. Sxf3 f4 28. Te2, Nowikow-Veingold, Open Pamplona 1991/92, und nun hätte die studienhafte Wendung 28. ...fxg3!! 29. hxg3 (29. Txb2 Txf3!) 29. ...Lf6 dem Nachziehenden gleiches Spiel gesichert.

B) 22. ...Dc8 23. Te3 (Gleiches Spiel ergibt auch 23. Sxc3 Txc3 24. Dd5 Dc6 25. Dxc6 Txc6 26. Tb7 Td8 27. Te4 g5 28. Te5 Tc5) 23. ...Lb4 24. Dd3 h6 25. Tf3 Te6 26. Dd5 Dc6! 27. Dxc6 Txc6 28. Tf4, mit Punkteteilung in der Partie Nowikow-Stempin, Polanica drój, wegen 28. ...f5 29. Sf6+.

21. ...Lxc3.

Nicht bewährt hat sich 21. ...Txc4? wegen 22. bxc4 Lxc3 23. Te3+ und Weiß gewinnt. Eine mögliche Alternative ist jedoch 21. ...Sc5 22. Dxd8 Txd8 (Nicht aber 22. ...Lxd8 23. Lb4 Sd3 24. Lxf8 Sxe1 25. Lb4 Sf3+ 26. Kg2 Sd4 27. Ta8 Se6 28. Le7 und Weiß gewinnt) 23. Lxf6 Txf6 (23. ...gxf6 24. Tee7 Sxb3 25. Se3 Tf8 26. Sf5 h5 27. Te3, remis, Illescas Córdoba-Mórovic Fernández, Las Palmas 1994) 24. b4!, mit etwas besserem Spiel für Weiß, Karpow-Beljawski, Linares 1993.

22. Txd7 Df6.

Etwas günstiger für Weiß ist sowohl 22. ...Dc8 23. Te3 Lf6 (Vorteilhaft für Weiß ist 23. ...b5?! 24. Txc3 bxc4 25. Dd5 Tc5 26. Dd4) 24. Dd5 b5 25. Sa3 b4 (Nicht aber 25. ...Ta6?! 26. Sxb5 Ta1+ 27. Kg2 Dc1 28. Te8! und Weiß hat spürbaren Vorteil) 26. Sc4 h6 27. Kg2, Khalifman-Van der Wiel, Ter Apel 1993, und nun hätte der Anziehende nach 27. ...Tc5 28. Db7 Dxb7+ 29. Txb7 Lc3, als auch 22. ...Da8 23. Te3 Lf6 24. Dd5.

23. Te4!?.

23. Te3 gestattet dem Nachziehenden, mit 23. ...Te6 24. Tf3 Te1+ 25. Dxe1 Dxf3 bequemen Ausgleich zu erzielen.

23. ...Df5?.

Geboten war 23. ...Te6 24. Tf4 Dxf4 (24. ...Dg6? gab dem Anziehenden in Tschernin-Veingold nach 25. Tdxf7! entscheidenden Vorteil. Wie es scheint, war Kamsky in Kenntnis dieser Partie von diesem Bock inspiriert) 25. gxf4 Te1+ 26. Dxe1 Lxe1 27. Sxb6, mit nur wenig besserem Spiel für Weiß.

24. Tf4 De6 25. Tdxf7! Te8.

Der Turm ist selbstverständlich tabu. Man prüfe: 25. ...Txf7 26. Dd8+, oder 25. ...Dxf7 26. Txf7 Txf7 (26. ...Kxf7 verliert nach 27. Df3+ den Lc3) 27. Dd8+ Tf8 28. Dd5+.

26. Df3 Lf6 27. Tb7 h6 28. Kg2 Kh8 29. h4! Kg8 30. Kh2 Kh8 31. Dh5! Td8.

31. ...Kg8 scheitert an 32. Txf6! gxf6 (32. ...Dxf6 33. Dxe8+) 33. Dg6+.

32. Tf7.

Droht entscheidend T4xf6.

32. ...Ld4.

Natürlich nicht 32. ...De8 wegen 33. Dg6.

33. Tf8+ Txf8 34. Txf8+ Kh7 35. Df3 Lc5 36. Tf5.

Weniger klar war die Abwicklung ins Turmendspiel nach 36. Dd3+ Dg6 37. Dxg6+ Txg6.

36. ...Tc8 37. h5!.

Weiß droht mit Sc4-e5-g6 ein Mattnetz zu weben.

37. ...Td8!.

In der Hoffnung auf 38. Se5 Td2, und Schwarz hat kräftiges Gegenspiel.

38. Te5 Dd7 39. De4+ Kh8 40. Kg2 Tf8! 41. f4?.

Eine fatale Schwächung der weißen Königsstellung. Den weißen Vorteil festgehalten hätte indessen 41. f3!.

41. ...Td8! 42. Df3.

Auf das vom Herausforderer vermutlich geplant gewesene 42. Te6 folgt nun 42. ...Dd1!, und nun scheitert 43. Se5?? an 43. ...Td2+ 44. Kh3 Dxh5 matt.

42. ...Ld4 43. Te2 b5 44. Sd2 Lb6?.

Es war unbedingt erforderlich, den Läufer zum Schutz des eigenen Monarchen auf der langen Diagonal zu belassen, z.B. 44. ...Lf6 45. Se4 Dc6, oder 44. ....La1!?, ja selbst 44. ...b4!? war besser. Karpow spekuliert an dieser Stelle offenbar bereits mit 46. ...Lxf2.

45. Se4 Dd1 46. Sf2! Db1.

Erst jetzt erkennt der Weltmeister, daß 46. ...Lxf2?? wegen 47. Te8+ sofort verliert.

47. Sg4 Df5?.

Ebenfalls letal war 47. ...Dg1+ wegen 48. Kh3 Td1 49. Te8+ Kh7 50. De4+ g6 51. De7 matt, doch mit 47. ...Ld4!? konnte Schwarz den Kampf noch fortsetzen: 48. Td2 Dg1+ 49. Kh3 Te8.

48. Se5 Kg8? 49. Sc6

und Schwarz gab auf.